GKKE-Fachgespräch zu Gerechtigkeit und Frieden in Afrika am 18. Juni 2019 in Berlin. Unter dem Leitwort “Justice and Peace in Africa – Expectations of African Union and Contribution of Churches“ hatte die GKKE-Fachgruppe “Beitrag der Kirchen zu Gerechtem Frieden in Afrika” zu der Veranstaltung eingeladen, die in englischer Sprache stattgefunden hatte. Anlass war der Besuch der Speakers‘ Tour afrikanischer Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Allafrikanischen Kirchenkonferenz (AACC). Die Delegation hatte in München, Hamburg, Hannover und Berlin Station gemacht, bevor sie schließlich an mehreren Podien auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) im Dortmund teilgenommen hatte. Ziel der Delegationsreise war in erster Linie, die Agenda 2063 der Afrikanischen Union bekannt zu machen. Diese Agenda aus dem Jahr 2013 ist eine auf 50 Jahre angelegte genuin afrikanische Vision für die Entwicklung des Kontinents.
Bei dem Fachgespräch wurde im ersten Teil die Perspektive der Afrikanischen Union auf die zentralen Herausforderungen zu Gerechtigkeit und Frieden auf dem Kontinent erörtert. Erastus Mwencha aus Kenia, einer der Initiatoren der Agenda 2063, hob dabei die Bedeutung wirtschaftlicher Fortschritte und die Notwendigkeit einer innerafrikanischen Freihandelszone hervor. Als zentrale Herausforderungen nannte er außerdem den nicht regulierten Abbau von Mineralien und anderen Rohstoffen, Drogenhandel und -missbrauch und die weite Verbreitung von Kleinwaffen. Huguette Kazeneza aus Burundi ergänzte mit Hinweisen auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit und auf gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung. Ein gutes Bildungssystem habe eine Schlüsselrolle bei der Korruptionsbekämpfung.
Im zweiten Teil des Gesprächs wurde nach dem besonderen Beitrag von Kirchen und religiösen Akteuren zur Stärkung von Gerechtigkeit und Frieden gefragt. Der Generalsekretär des AACC, Fidon Mwombeki aus Kenia, wies auf die einzigartige Rolle der Kirchen bei der Überwindung von Konflikten hin. „Als afrikaweiter Akteur sind wir mit der AACC in Konfliktsituationen keine Fremden, sind aber auch nicht Teil des Konflikts.“ Auch sei das Mobilisierungspotential von Kirche ausgesprochen hoch: „In der Demokratischen Republik Kongo gibt es keine Institution, die wie die katholische Kirche so viele Menschen unter anderem zur Wahlbeobachtung mobilisieren kann“, so Mwombeki. Auch Mwencha betonte die Rolle von Kirche als einzigartige Stimme, die zu allen sprechen könne. Paul Muchena, der Generalsekretär der Kommission Justitia et Pax aus Simbabwe, vertiefte diesen Aspekt: „Angesichts von Ungerechtigkeit und Unwahrheit muss die Kirche die Wahrheit aussprechen.“ Er bezog sich dabei auf in Simbabwe immer noch ausstehende Versöhnungsprozesse und betonte ferner, dass die Kirche die Stimme der Marginalisierten erheben muss.
In der weiteren Aussprache wurde von afrikanischen Stimmen die Bedeutung von stärkender (restorative) Gerechtigkeit gegenüber vergeltender (retributive) Gerechtigkeit mehrfach unterstrichen. Nicht unumstritten war dieser Gedanke, dass es Versöhnungsprozesse brauche, bei denen die Wahrheit nicht ausgeklammert werde, aber die Bestrafung der Verantwortlichen in den Hintergrund rücke. Erinnert wurde an das Ubuntu-Konzept, das für Gemeinsinn und eine harmonische Gesellschaft stehe: „Ich bin, weil du bist.“ Dies sei eine Realität für die meisten Menschen auf dem Kontinent. Unstrittig ist bei allen Teilnehmenden das Kernanliegen der Agenda 2063 deutlich geworden: Es braucht afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme.