Rüstungsexportpolitik in friedenspolitischer und humanitärer Perspektive skandalös
Berlin, 20. Juni 2019. Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung widerspricht deutlich der Ankündigung der Koalition, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu verfolgen. So hat die Bundesregierung 2018 Rüstungsgüter an Saudi-Arabien in Höhe von mehr als 416 Millionen Euro genehmigt; 147 Millionen davon entfallen auf Kriegswaffen. Damit erhält ein maßgeblicher Aggressor im Jemenkrieg die meisten deutschen Waffen unter den so genannten Drittstaaten. „Obwohl in Deutschland nach der gewaltsamen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi ein Exportmoratorium gilt, wurden sogar im ersten Halbjahr 2019 Liefergenehmigungen an Saudi-Arabien erteilt“, kritisierte der katholische Vorsitzende der GKKE, Prälat Dr. Karl Jüsten.
Insgesamt weist der am 19. Juni veröffentliche Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2018 Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von 4,82 Milliarden Euro aus – im Vergleich zu 2017 (6,24 Milliarden Euro) ist dies zwar ein deutlicher Rückgang. Aber Schwankungen im Blick auf die Höhe der genehmigten Exporte sind üblich und sprechen keinesfalls für eine Trendwende hin zu einer restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik. „Die Genehmigungspraxis ist weiterhin in höchstem Maße problematisch“, betonte der evangelische Vorsitzende der GKKE, Prälat Dr. Martin Dutzmann. Dies wird an den Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2019 ersichtlich, die dokumentieren, dass Kriegswaffen und Rüstungsgüter im Wert von mehr als eine Milliarde Euro an Länder genehmigt worden sind, die aktiv oder formal den Krieg im Jemen unterstützen.
Saudi-Arabien fliegt mit Unterstützung von Bahrain, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten regelmäßig Luftangriffe gegen die Huthi-Rebellen im Jemen. Durch die gleichzeitige Seeblockade jemenitischer Häfen verhindert die arabische Monarchie, dass überlebenswichtige Hilfsgüter in das Land gelangen. Beide Konfliktparteien – Saudi-Arabien und die schiitischen Huthis – begehen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Neben Genehmigungen für Patrouillenboote erhielt Saudi-Arabien 2018 auch Genehmigungen für Artillerie-Ortungsradare – damit rangierte die Monarchie 2018 auf Platz vier der Hauptabnehmer deutscher Rüstungsexporte. Für die ebenfalls am Jemen-Kriegskoalition beteiligten Vereinigten Arabischen Emirate wurden im vergangenen Jahr 45 Millionen Euro beschieden (davon 23 Millionen für Kriegswaffen), im ersten Halbjahr 2019 genehmigte die Bundesregierung an die Emirate sogar noch deutlich mehr Exporte im Wert von 206 Millionen Euro.
Prälat Jüsten unterstrich: „Die Bundesregierung verstößt gegen ihre eigenen Politischen Grundsätze, die den Export an Drittstaaten an strikte Kriterien binden und Lieferungen an Drittstaaten verbietet, die sich in bewaffneten Auseinandersetzungen befinden.“ Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD zudem vereinbart, keine Rüstungsgüter an Länder der Jemen-Kriegskoalition zu liefern. Dazu zählt auch Ägypten, das von Januar bis Juni 2019 Rüstungsgüter im Wert von 801 Millionen Euro erhielt.
Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung außerdem erklärt, dass Rüstungsexporte für Drittländer weiter eingeschränkt werden sollen. Zwar ist der prozentuale Wert der Genehmigungen an Drittstaaten 2018 auf rund 53 Prozent (2017: 60 Prozent) gesunken, doch steht dieser Wert in keinem Verhältnis zur Ankündigung der Bundesregierung, die Genehmigungen an Drittstaaten einzuschränken.
Ein erfreulicher Trend zeigt sich hingegen bei den Genehmigungswerten für Klein- und Leichtwaffen. 2018 genehmigte die Bundesregierung Exporte in Höhe von 38,91 Millionen Euro – 2017 waren es noch 47,82 Millionen Euro. Besonders deutlich sind dabei die Genehmigungen an Drittländer zurückgegangen. Während 2017 noch Ausfuhren in Höhe von 15,1 Millionen Euro genehmigt wurden, belaufen sich die Genehmigungen von Kleinwaffen in 2018 auf 403.703 Euro. Auch der Anteil der Zusagen für Kleinwaffenmunition an Drittstaaten hat sich mit einem Gesamtvolumen von 11,98 Millionen Euro deutlich verringert.
„Diese erfreulichen Entwicklungen können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Rüstungsexportpolitik in friedenspolitischer und humanitärer Perspektive skandalös ist“, sagte Prälat Dutzmann. „Es ist höchste Zeit, den Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Was wir derzeit beobachten können, lässt ernsthafte Zweifel am politischen Willen der Bundesregierung aufkommen, eine verantwortliche restriktive Rüstungsexportpolitik zu verfolgen“, so Prälat Jüsten.
Die GKKE fordert die Bundesregierung daher auf, endlich für eine glaubwürdige, kohärente restriktive Rüstungsexportpolitik zu sorgen. Die schon seit langem angekündigte Verschärfung der Richtlinien und deren konsequente Befolgung wären dabei ein erster Schritt.
Für Rückfragen: Dr. Jörg Lüer 030 24 34 28 158